Club of Rome: 

Aufruf zum Handeln:

Aufbruch aus dem planetaren Notstand und Partnerschaft zwischen Mensch und Natur

Offener Brief an die führenden Persönlichkeiten der Welt: ein gesunder Planet für gesunde Menschen 

Es ist an der Zeit, unsere Ängste zu nutzen, um Hoffnung zu wecken und Maßnahmen voranzutreiben, um auf die Krise der menschlichen Gesundheit, der Wirtschaft, des Klimas und der biologischen Vielfalt mit Lösungen zu reagieren, die längerfristig widerstandsfähige Gesellschaften aufbauen.

Die Welt ist in eine außergewöhnliche Krise gestürzt. Wir teilen die tiefe Besorgnis über die menschlichen Kosten, die das Virus bereits verursacht hat und drücken jenen, die am meisten gefährdet sind, tiefgreifende Solidarität aus, während sich die Pandemie über die ganze Erde ausbreitet. Diese Bedrohung erfordert schnelle und starke Reaktionen, und wir unterstützen voll und ganz die erforderlichen Notfallmaßnahmen, um so viele Leben wie möglich zu retten und die verheerenden Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen und die Sicherheit der Menschen anzugehen.

Diese Krise zeigt auch, wie sehr wir als eine Menschheit, die auf einem Planeten lebt, sowohl im Hinblick auf unsere Gesundheitssysteme als auch unsere Ernährungssysteme und Lieferketten voneinander abhängig sind.

Es ist wichtig anzuerkennen, dass der Planet vor einer tieferen und längerfristigen Krise steht, die in einer Reihe von miteinander verbundenen globalen Herausforderungen wurzelt.

Neu auftretende Infektionskrankheiten wie Ebola, Vogelgrippe, SARS und jetzt auch das Coronavirus (COVID-19) verursachen Todesfälle, Krankheiten und wirtschaftliche Schäden in großem Umfang und stören Handel und Reiseverkehr. Etwa 70% dieser Krankheiten haben ihren Ursprung bei Tieren (hauptsächlich bei Wildtieren). Ihre Entstehung ist das Ergebnis menschlicher Aktivitäten wie Abholzung, Ausdehnung von landwirtschaftlichen Nutzflächen und die verstärkte Jagd und der Handel mit Wildtieren, Aktivitäten, die auch zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen können. Viele Krankheitserreger sind noch unentdeckt, so dass die uns bekannten Krankheiten nur die Spitze des Eisbergs darstellen.

Wie COVID-19 beachten Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Finanzkollaps keine nationalen oder gar physischen Grenzen. Diese Probleme lassen sich nur durch kollektive Maßnahmen bewältigen, die lange vor einer vollständigen Krisensituation beginnen und nicht als singuläre Bedrohung angesehen werden, sondern als potenzielle Serie von Schocks.

COVID-19 hat uns gezeigt, dass über Nacht ein transformativer Wandel möglich ist. Eine andere Welt, eine andere Wirtschaft bricht plötzlich an. Das ist eine beispiellose Gelegenheit, sich von ungehemmtem Wachstum um jeden Preis und der alten Wirtschaft mit fossilen Brennstoffen zu lösen und ein dauerhaftes Gleichgewicht zwischen Menschen, Wohlstand und unseren planetaren Grenzen herzustellen.

Mit welchen Mitteln Staats- und Regierungschefs die Wirtschaft als Reaktion auf die Corona-Krise wieder ankurbeln wird die globalen Bedrohungen entweder verstärken oder abschwächen, weshalb mit Bedacht vorgegangen werden sollte. Es besteht das Risiko kurzsichtige Entscheidungen zu treffen, die die Emissionen erhöhen und die Natur auf lange Sicht weiter schädigen. Auf der anderen Seite besteht die Chance, sich für Lösungen einzusetzen, die nicht nur Leben wiederherstellen und die wirtschaftliche Aktivitäten unmittelbar nach der Krise anregen, sondern auch den Übergang zu einer widerstandsfähigen, kohlenstoffarmen Wirtschaft und zu natur-reichen Gesellschaften beschleunigen.

Wir kennen die Lösungen: Investitionen in erneuerbare Energien statt in fossile Brennstoffe; Investitionen in die Natur und in die Wiederaufforstung; Investitionen in nachhaltige Ernährungssysteme und in eine regenerative Landwirtschaft sowie die Umstellung auf eine lokalere, kreislauffähigere und kohlenstoffärmere Wirtschaft. Diese positiven Maßnahmen können auch eine dringend benötigte Quelle der kollektiven Hoffnung und des Optimismus für die Regeneration des Lebens in diesen unsicheren Zeiten sein.

Wir rufen die Staats- und Regierungschefs dazu auf, den Mut, die Weisheit und die Weitsicht zu haben, die Gelegenheit zu ergreifen und ihre Pläne zum wirtschaftlichen Wiederaufbau durch Investitionen in die Menschen, die Natur und eine kohlenstoffarme Entwicklung wirklich transformativ zu gestalten. Auf diese Weise werden sie dazu beitragen, einen Weg zu Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu sichern, die globale Gesundheit zu verbessern, unsere Beziehung zur Natur wiederaufzubauen, unsere Landnutzung zu überdenken und unsere Ernährungssysteme umzugestalten. Die Konjunkturpakete sollten nicht als Freikarten konzipiert werden, sondern vielmehr einige starke wirtschaftliche Anreize und Bedingungen für Unternehmen und Industrien enthalten, um auf ein kohlenstoffarmes, kreislauffähiges Geschäftsmodell umzustellen und in Natur und Menschen zu investieren. Jetzt ist der Moment, aus fossilen Brennstoffen auszusteigen.

Es ist ebenso wichtig, dass Klimakrise und Biodiversitätsverlust auch 2020 und darüber hinaus ganz oben auf der Tagesordnung stehen und dass die Staats- und Regierungschefs jede Gelegenheit nutzen, um die Dynamik an diesen Fronten aufrechtzuerhalten. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass die weltweiten Bemühungen im Rahmen der Vereinten Nationen (UN General Assembly Nature Summit, UN Framework Convention on Climate Change, UN Convention on Biological Diversity) weiter vorankommen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Zusammenarbeit Länder stärker macht, und internationale Kooperation die beste Möglichkeit ist, künftige existenzielle Bedrohungen zu lösen.

Dies ist der Moment für uns alle, uns der Herausforderung von kollaborativer Führung zu stellen und gemeinsam Wege zu finden, um aus dieser Notlage mit einer globalen wirtschaftlichen Neuausrichtung hervorzugehen. Mensch und Natur müssen im Mittelpunkt dieser tiefen Transformation stehen, um Umverteilung, Regeneration und Wiederaufbau zu erreichen.

Wohlstand für die Menschen und den Planeten ist nur möglich, wenn wir heute mutige Entscheidungen treffen, damit künftige Generationen in einer besseren Welt überleben und gedeihen können.

Für den Club of Rome

Dr. Mamphela Ramphele (Südafrika) und Sandrine Dixson-Declève (Belgien)

Co-Präsidentinnen

 

Club of Rome, 26. März 2020

 

Aus dem Englischen übersetzt vom Club of Rome – Austrian Chapter:

http://www.clubofrome.at/offener-brief-an-die-fuehrenden-persoenlichkeiten-der-welt-ein-gesunder-planet-fuer-gesunde-menschen/

Englische Originalfassung:

https://clubofrome.org/impact-hubs/climate-emergency/open-letter-to-global-leaders-a-healthy-planet-for-healthy-people/

 Dr. Mamphela Ramphele:

https://clubofrome.org/member/ramphele-mamphela/

 Sandrine Dixson-Decléve:

https://clubofrome.org/member/dixson-decleve-sandrine/

https://www.weforum.org/agenda/authors/sandrine-dixson-decleve