„ChatGPT ist erst der Anfang vom Einsatz der KI“

Digitalexperte Sascha Lobo verrät, worauf wir uns in der Zukunft gefasst machen können und warum wir mehr vertrauen sollten.

„Kärntner Wirtschaft“: Was werden die größten digitalen Trends sein, die Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahren beeinflussen?

Sascha Lobo: Erstens die generative Künstliche Intelligenz (KI), wie sie mit ChatGPT bekannt geworden ist. Also KI, die Daten nicht nur klassifiziert, sondern auch generiert. Dabei war ChatGPT aber erst der Weckruf. Und zweitens eine neue Art der Kommunikation aufgrund dieser neuen Technologien. Chatbots kennt man ja bereits aus dem Service, hier sprechen wir aber von einer völlig neuen Qualität. Es wird nicht mehr nachvollziehbar sein, ob man mit einem Menschen oder einer Maschine kommuniziert. 

Welche Rolle spielt KI künftig in den Unternehmen? 
Sie wird sicherlich vieles auf den Kopf stellen. Ein Bereich, der wohl die meisten Betriebe betreffen wird, ist zum Beispiel der Microsoft-Copilot. Hier werden Microsoft-Anwendungen mit KI verknüpft. Dadurch wird es möglich, dem System etwa den Befehl zu geben, aus einer Excel-Liste eine Präsentation mit zehn Folien zu erstellen und alles von meinem Arbeitskollegen Tom einzubauen, was er mir diese Woche in Outlook geschickt hat. Das wird unsere Arbeitsprozesse nachhaltig verändern, auch wenn der Copilot in Europa noch nicht erlaubt ist.

Welche Anwendung sollte man noch im Auge behalten?
AutoGPT – eine Weiterentwicklung von ChatGPT, die mit dem Internet verbunden ist. Es arbeitet Aufgaben automatisiert ab, verteilt Subaufgaben an andere KI-Programme und erreicht somit eine neue Stufe autonomer KI. Ich könnte zum Beispiel die Suchanfrage nach Schuhen einer bestimmten Marke in einer bestimmten Farbe und Größe zu einem Wunschpreis stellen und würde dann in Echtzeit ein Ergebnis bekommen. Das ist ein radikaler Wandel, bei dem wir auch Unternehmensprozesse neu denken müssen.

Wie können kleine Betriebe von der Digitalisierung profitieren?
Sie profitieren vom Manufakturcharakter, der sich vor allem im Sinne des Marketings in den sozialen Medien sehr gut darstellen lässt. Ein Tischler, der seine Leidenschaft für das Handwerk inszenieren möchte, kann dazu Instagram nutzen. Bei den Inhalten kommt es darauf an, dass sie effektiv, effizient, innovativ oder einfach humorvoll sind. Auch der Verkauf der Produkte kann ja unabhängig von der Betriebsgröße in einem Online-Shop erfolgen und viele Backoffice-Aufgaben laufen ohnehin schon automatisiert. 

Wie wichtig sind soziale Medien generell in der Unternehmenskommunikation?
Das hängt natürlich von der Branche ab und reicht von null bis 100. Das Wichtigste ist aber, immer ein Ziel für seine Botschaft zu haben, und das muss nicht immer der Kauf sein. Oft geht es darum, Multi­plikatoren zu gewinnen oder einfach nur zu unterhalten. TikTok hat den besten Empfehlungsalgorithmus überhaupt und wird daher auch von den über 30-Jährigen als Wissenskanal genutzt. Rechtsanwälte erklären etwa auf unterhaltsame Art und Weise komplexe Sachverhalte – das funktioniert.

Elon Musk lässt Chips ins menschliche Hirn implantieren, Mark Zuckerberg träumt von einem Metaversum – Wie sieht die digitale Zukunft aus?
Wir machen auf diesen Gebieten aktuell Quantensprünge nach vorne, eine Prognose ist daher schwierig. Ich denke, beides ist möglich und wird wohl verschmelzen, auch wenn ich mir keinen Chip einsetzen lassen würde – das liegt aber an Elon Musk und nicht an dem Chip. 

Ist Österreich für die digitale Transformation gerüstet?
In Österreich ist es ähnlich wie in Deutschland, wir sind führend beim unausgeschöpften Potenzial. Die Skepsis vor diesen Entwicklungen ist enorm groß und das hemmt den Fortschritt. Das kann man sich nur leisten, solange es noch eine tragfähige Wirtschaft gibt. Der Druck wird aber global steigen und es ist besser den Wandel hin zur KI-Transformation aus eigener Kraft zu gestalten, anstatt geschwächt Trends zu folgen.

Sascha Lobo (48) ist Journalist, Blogger, Digitalisierungs- und KI-Experte. Seit Jänner 2011 schreibt er die wöchentliche Kolumne „Mensch-Maschine“ auf Spiegel Online. In seinem neuen Buch „Die große Vertrauenskrise“ analysiert er den Vertrauensverlust in Wissenschaft, Information, Politik und Demokratie. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Berlin.

 

Von Claudia Blasi, Redakteurin „Kärntner Wirtschaft“, 2. 11. 2023

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