FURCHE-Kolumne 330

ÖKOLOGISCHE FRÜCHTE HEILIGEN ZORNS

Am Anfang waren die „Grenzen des Wachstums“. Mit dieser rasch zum Weltbestseller gewordenen Publikation des Club of Rome begründeten Dennis und Donella Meadows 1972 eine eigenständige Umweltökonomie. In ihren so innovativen wie komplexen Modellen beschrieben sie erstmals die globalen Folgen von überbordendem Ressourcenverbrauch und der Zerstörung von Lebensraum.

An den viel beachteten Weckruf knüpften sich in zahlreichen Ländern konkrete politische Handlungen mit durchaus beeindruckenden Erfolgen – vom Kampf gegen den Sauren Regen und das Waldsterben bis zur Förderung der Gewässerreinhaltung und von Alternativenergien. Die erhoffte Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Umweltschädigung schien greifbar nahe.

Hinter der stattlichen Erfolgskulisse dieser so wichtigen, überwiegend durch einzelstaatliche Aktivitäten bewirkten Öko-Erfolge baute sich jedoch ein übergeordnetes, globales Problem auf: der menschengemachte Klimawandel. Er schaffte es erst nach langem Anlauf in die obersten Ränge der weltpolitischen Prioritätenliste. Zwar folgten der ersten, 1979 in Genf ausgetragenen UN-Weltklimakonferenz von den 1988 formulierten Toronto-Zielen über das 2005 erarbeitete Kyoto-Protokoll bis zum 2015 errungenen Pariser Klima-Abkommen immer anspruchsvollere ökologische Absichtserklärungen. Deren Erfüllungsgrad blieb allerdings bescheiden.

Wohl deshalb kritisierte Greta Thunberg in ihrer Rhetorik heiligen Zorns die 26. UN-Klimakonferenz in Glasgow gleich zu Tagungsbeginn als ein „Greenwashing-Festival“ mit vielen Versprechungen und wenig Substanz. Schließlich wären nachweislich 50 Prozent aller jemals ausgestoßenen CO2-Emissionen seit 1990 entstanden – also parallel zu all den immer vollmundigeren Absichtserklärungen der entsprechenden Konferenzen. Warum sollte das diesmal anders sein?

Dass die KongressteilnehmerInnen angestrengt bemüht waren, diesen Misstrauensvorschuss durch engagiertes Verhandeln auf offener Weltbühne abzubauen, zeigt ein Blick auf die doch erstaunlich substantiellen Versprechungen, die gegen Ende der zweiten Woche vorlagen. Von der Zusage der G20-Industriestaaten, die Förderung des Baus von Kohlekraftwerken im Ausland einzustellen, über den 100-Staaten-Pakt zum Stopp der Entwaldung bis zur Festlegung Indiens auf eine verbindliche Klimastrategie: die couragierte Intervention der nächsten Generation trägt offensichtlich Früchte. Sie ist in ihrer Emotionalität möglicherweise sogar wirksamer als trockene Expertisen und findet Verbündete nicht nur in den zuständigen Ministerien und multilateralen Körperschaften sondern auch bei einer wachsenden Zahl von Unternehmen.

Umweltrechte sind so wenig global erzwingbar wie Menschenrechte und unvermeidliche Zielkonflikte werden es auch künftig notwendig machen, um vertretbare Lösungen zu ringen. Die Richtung der globalen Reformen jedoch ist spätestens ab jetzt unumkehrbar. Für diese ökologischen Früchte ihres heiligen Zorns gebührt den unduldsamen Jungen unser Dank.

 

  1. November 2021