TALK IM CLUB: NÖN-Bericht von Brigitta Trsek:

Früherer Brucker Amtstierarzt verurteilt Schlupflöcher im Tierschutz

Im ausgebuchten Saal des „Dorfgasthauses am Spitz“ in Höflein verfolgten die Zuhörer einen informativen und zum Nachdenken anregenden Vortrag des langjährigen Amtstierarztes Dr. Rudolf Winkelmayer. Der Vortrag war Teil der Reihe „Talk im Club“ des Club of Rome Carnuntum.

Haben Tiere Gefühle? Bereits eine der ersten Frage des Vortragenden rüttelte an den Zuschauern. Als ehemaliger Amtstierarzt und Inhaber einer Tierarztpraxis sprach Rudolf Winkelmayer aus langjähriger Erfahrung. Er hatte in seiner Laufbahn Einblick in ein breites Spektrum tierischen Lebens.

„Tiere wurden gewaltig unterschätzt“, erläutert er die neuesten Erkenntnisse zum Thema Tierwohl: Alle Wirbeltiere haben ein Bewusstsein und Studien haben gezeigt, dass Tiere sich erinnern und planen. Man denke nur an die Tiere, die Vorräte für den Winter anlegen. Dass Tiere Gefühle haben, weiß jeder Besitzer eines Haustieres.

„Es ist nicht interessant, ob sie denken oder reden können. Entscheidend ist, ob die Tiere leiden“, so Winkelmayer. Tiere hätten ein Interesse zu leben und nicht zu leiden. Im Grunde seien es die gleichen Interessen, wie sie der Mensch hat. Und darin bestehe die Diskrepanz zwischen Tierwohl und Tierrecht, die Problematik im Umgang mit dem Tier in unserer Gesellschaft.

Beim Thema Tierwohl/ Tierschutz herrsche Einigkeit. Den Tieren soll es gut gehen, solange sie leben. Schwierig wird es beim Recht auf Leben. „Und über den Tod von Tieren müssen wir auch reden“, zeigt der Vortragende auf.

In spannenden 60 Minuten wurde den Gästen nahegebracht, dass es zwar viel Ideen, Vorschriften und Verordnungen zum Thema Tierwohl gibt – besonders im Bereich Massentierhaltung. Diese seien aber oft das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. „Das meiste sind wertlose Sonntagsreden.“ Noch immer leiden Zuchttiere unter widrigsten Bedingungen. Aufgezeigt wurden Beispiele in der Schweinezucht, der Hühnerhaltung und der grausame Brauch der Gänsestopfleber-Erzeugung.

Dokumentiert durch Bilder konnten Zuschauer einen Blick hinter die Kulissen der Entstehung des „Schnitzels“ werfen, die oft weder dem Tierwohl noch dem Tierrecht entspricht. Im Vortrag wurde aber auch angesprochen, dass man die Bauern für die Tierhaltung nicht verurteilen könne. Es müsse vielmehr Unterstützung und auch finanzielle Hilfe geben, damit diese aus dem derzeitigen System der Produktion aussteigen können.

Hart ins Gericht ging Winkelmayer auch mit der Werbung, die dem Konsumenten Tierwohl oft vorgaukelt, während die Realität eine ganz andere ist. „Der Konsument wäre entsetzt, wenn er die Wahrheit sehen würde.“ Es brauche einen strengeren Tierschutz ohne die vielen Schlupflöcher. Und – es brauche in Umdenken der Essgewohnheiten. Sein Appell geht in Richtung mehr vegetarische Ernährung und Reduktion des Fleischkonsums. Auch die Auswirkung der Massentierhaltung auf das Klima zu reduzieren.

Obwohl jahrelang selbst begeisterter Jäger, hat Winkelmayer die Jagd schon vor Jahren aufgegeben. „Was mache ich da eigentlich?“ war eines Tages die Frage, die er sich selbst stellte. Und so ging Winkelmayer aus der Erfahrung auch mit so manchem Brauch in der Jagd ins Gericht. Jagd zur Hege habe derzeit noch immer seine Berechtigung. Da der Mensch viele in die natürlichen Prozesse eingreift, sei eine natürliche Regulierung des Wildbestandes ohne Abschuss nicht möglich. Verurteilt hat er hingegen die Jagd aus reinem „Spaß an der Freude“.

„Was mich besonders freut ist, dass heute so viel junges Publikum da ist. Ein Junger ist mir lieber als 5 Alte. Weil die Jungen sind die Zukunft.“ Denn besonders die Jugend soll umsetzen, was er mit Kollegen in der Initiative Bundesjagdgesetz.at initiiert hat. Als Zuhörer – egal ob jung oder älter – hatte man einiges an Überlegungen mit nach Hause zu nehmen. Vielleicht besonders über das Schlusszitat von Winkelmayer: „Man kann die Natur sich selbst überlassen. Heinrich Haller/Biologe.“

  1. März 2024 | Brigitta Trsek

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Bildtext:

  1. Vortragender Dr. Rudolf Winkelmayer mit Vertretern der Römerland Carnuntum Jugend.
  2. Mehr als 90 Interessierte verfolgten den Vortrag mit großem Interesse.